Erste Professorin für Radverkehr
Wenn ich im Internet auf Artikel oder Memes über Fahrradfahrer stoße, lese ich meistens auch die Kommentare. Das Thema Radverkehr polarisiert. Auf der einen Seite sind diejenigen, die darüber schimpfen, dass alle Radfahrer über rote Ampelm fahren, ständig Autofahrern die Vorfahrt nehmen und eigentlich ja gar nichts auf der Straße zu suchen haben; auf der anderen Seite jene, die sich falsch verstanden fühlen, über arrogante Autofahrer mit schlechter Ökobilanz schimpfen und darauf beharren, dass sie selbst natürlich nie gegen die StVO verstoßen, auch wenn die Radinfrastruktur zu wünschen übrig lässt.
Die Wahrheit wird wie so oft irgendwo in der Mitte liegen. Niemand hält sich immer an alle Regeln, irgendwann wird jeder gegen die „Gegenpartei“ wettern und am Ende des Tages sind wir alle froh, unbeschadet nach Hause gekommen zu sein. Dabei machen sich Radfahrer wahrscheinlich mehr Gedanken um ihre eigene Sicherheit, während Autofahrer sich eher darauf verlassen, dass sie gut geschützt in ihrem Auto sitzen.
In der TAZ habe ich ein Interview gelesen über die erste Professur für Radverkehr. Darin spricht Jana Kühl, Professorin für Radverkehr, über die Themen, Aufgaben und Hindernisse ihrer Professur. Eines der hinderndsten Probleme ist, dass Planung und Umsetzung von Maßnahmen für den Radverkehr meistens zu Grundsatzdebatten führt. „Bezeichnend sind Wortmeldungen in den Kommentarspalten im Internet: Wegen des kleinen Worts „Rad“ – Verkehrsprofessuren gibt es ja schon – wird dort das Ganze infrage gestellt, als völlig absurd und illegitim bezeichnet. Das zeigt, wo der Radverkehr in der Debatte immer noch steht.“ Sie kritisiert weiterhin, dass zwischen Gegnern und Befürwortern kaum eine wirkliche Diskussion entsteht.
Einen kleinen Schritt weiter sind wir ja jetzt: im Februar wurden sieben von Bundesverkehrsminister Scheuer unterstützte Professuren ins Leben gerufen, die sich mit verschiedenen Aspekten des Radverkehrs beschäftigen und darüber forschen und lehren.
Das ist gut. die Verkehrs- und Gesetzesplaner von morgen werden in ihrer Ausbildung bereits mit dem Fahrrad konfrontiert, sodass sie mit Glück in ihrer beruflichen Laufbahn nicht nur die Bedürfnisse von Auto-, sondern auch von Radfahrern im Hinterkopf haben.
Wirkliche gegenseitige Akzeptanz wird es aber erst geben, wenn alle Parteien Vorsicht, Rücksicht und Nachsicht zeigen. Vielleicht sind in hoffentlich nicht mehr ferner Zukunft die Kommentarsektionen zum Thema Radverkehr so harmonisch und dadurch langweilig geworden, dass ich mich für den Aufreger zwischendurch auf die Kommentare zu den Themen Kindererziehung oder Körperbehaarung verlegen muss.