Schwedenurlaub Teil 1
Wir haben im Sommer 2012 geheiratet. Wir haben viele großzügige Geschenke erhalten, eines davon war ein Gutschein für eine Reise unserer Wahl.
Wir überlegten hin und her, dachten an Kanada mit dem Wohnmobil, Island mit dem Wohnmobil, Neuseeland mit Rucksack und Zelt… Letzten Endes entschieden wir uns für Schweden mit dem Rad. Den Anstoß dafür gab die Probefahrt auf dem Pino von Hase, die wir im Jahr davor unternommen haben.
Wenn der Mann und ich zu zweit mit dem Fahrrad unterwegs sind, gibt es schlechte Stimmung und früher oder später Knatsch. Er fährt für seine Verhältnisse langsam, ich hingegen muss mich für meinen Geschmack zu sehr anstrengen. Im Stadtverkehr hängt er mich an jeder Ampel ab, außerhalb der Stadt fährt er so weit voraus, dass es für mich nichts mehr mit Vergnügen zu tun hat. Unterhalten können wir uns kaum, weil ich ihn unterwegs mit Wind in den Ohren und Verkehrslärm schwer verstehe. Wir fahren also eher nebeneinander her als miteinander. Durch Zufall haben wir vom Pino gehört, einem Stufentandem der Firma Hase. Auf diesem Fahrrad fährt der Captain (quasi der Steuermann eines Tandems) auf dem hinteren Sitz und lenkt und bremst von dort aus, während der Stoker (muss nur kräftig in die Pedale treten) vorne auf einem Liegeradsitz sitzt. Das Liegerad hat den Vorteil, dass auch auf längeren Strecken Arme, Schultern und vor allem Po nicht zu sehr beansprucht werden. Die Köpfe beider Fahrer sind fast auf einer Höhe und so nah zusammen, dass ein Gespräch ohne Probleme möglich ist. Bei einem Tandem können beide Fahrer so kräftig reintreten wie sie wollen, sie kommen immer gleichzeitig ans Ziel.
In Mainz gibt es einen Laden, der Probefahrten auf Spezialrädern anbietet, dort konnten wir das Pino ausprobieren. Wir fuhren von Mainz über Roßdorf und Erzhausen zurück nach Mainz und waren uns sicher, dass wir ein Rad gefunden haben, das unsere Probleme löst.
Ein anderes Problem jedoch gab es: wir hatten weder Geld noch Anlass, uns ein Pino zu kaufen. Mit Hinblick auf die Reise änderte sich das. Mit getrennten Rädern hätte ich gestreikt und wir wären doch nach Island oder Kanada gefahren (Zugegeben, eine vollwertige Alternative).
Auf diesen Urlaub habe ich mich so gut vorbereitet wie auf keinen anderen bisher. Eine Zeit lang gab es für mich kein anderes Thema. Wir entschieden uns, von Mitte Mai bis Mitte Juni 2013 zu fahren, es sollte weder zu heiß noch zu nass sein und die Mücken kommen auch erst später. Die geplante Route ging von Trelleborg zwischen Vänern und Vättern, den beiden großen Seen hindurch über Mora bis nach Abisko im Norden, von wo aus wir mit dem Flugzeug zurück nach Südschweden fliegen wollten. Damit hätten wir Schweden fast komplett der Länge nach durchquert.
Wir buchten die Bahnfahrt bis Rostock und später wieder zurück, auch für das Tandem brauchten wir eine Reservierung. Nicht jeder Mitarbeiter im Reisezentrum der Deutschen Bahn weiß, dass es Tandemtickets gibt. Wir buchten die Fähre und wir buchten den Flug, informierten uns darüber, wie wir in Schweden mit der Bahn bis Abisko kommen, falls wir zu lange auf der Strecke sind, und den Rest ließen wir auf uns zu kommen. Das schöne an Urlauben ist für uns, dass wir relativ spontan entscheiden können, welchen Weg wir nehmen. Mit dem Zelt im Gepäck konnten wir uns unabhängig von Jugendherbergen oder Hotels bewegen.
Das meiste der nötigen Ausrüstung besaßen wir bereits, wir mussten außer dem Fahrrad nur einen wasserdichten Sack für auf den Gepäckträger, meine Fahrradschuhe für die Klickpedale, ein Rucksackgestell für die Ortliebtaschen und Gamaschen gegen Regen kaufen. Für das Pino nahmen wir Flickzeug, eine Ersatzkette und Kettenschlösser sowie Ersatzschläuche für vorne und hinten mit.
Unser Gepäck passte in unsere vier Ortliebtaschen und die “Wurst” auf dem Gepäckträger, wir mussten ohne Verpflegung nur 24 kg Zuladung ans Fahrrad schnallen. Ein paar Dinge hätten wir auch zu Hause lassen können, darauf geht der Mann demnächst in einer kommentierten Packliste ein.
Ein Tag nachdem ich meine Nebenfachprüfung an der Uni hinter mich gebracht habe, fuhren wir los. Wir stiegen in Darmstadt in die Bahn ein und fuhren zum Frankfurter Hauptbahnhof, wobei der Aufzug in Darmstadt schon das erste Hindernis war. Die Darmstädter Aufzüge sind klein, ein normales Rad passt nicht der Länge nach hinein, ein Tandem erst Recht nicht. Der Mann musste es ankippen, während ich die Treppe hinunterlief. Diese Taktik hat sich auch bei anderen Aufzügen bewährt.
Auf dem Weg nach Rostock mussten wir zweimal umsteigen, was jedes Mal einiges an Logistik erforderte, weil nicht nur das Rad, sondern auch das Gepäck aus dem einen Zug hinaus und in den anderen Zug hinein verfrachtet werden musste. Die paar Kilometer zwischen dem Bahnhof in Rostock und dem Fährhafen legten wir auf dem Rad zurück.
Auf der Fähre bekamen wir einen Platz auf dem Autodeck zugewiesen und suchten uns dann einen Fleck zum Schlafen, wir fuhren über Nacht. Die Nacht war relativ schlaflos, in unserer Nähe lag eine Gruppe von Männern, die sich in einer merkwürdigen Sprache unterhielten und/oder laut schnarchten. Der Mann meinte am nächsten Tag, sie hätten bayrisch gesprochen.
Das Pino und wir kamen wohlbehalten und voller Tatendrang in Schweden an. Über unsere Zeit dort berichte ich nächste Woche.