Schwedenurlaub Teil 2

Schwedenurlaub Teil 2

Letzte Woche habe ich über die Vorbereitung und Anreise unseres Schwedenurlaubs mit dem Stufentandem geschrieben, heute berichte ich über unsere Zeit in Schweden.

 

Wir kamen morgens um sechs in Trelleborg an und fuhren los. Wir waren vorher der Meinung gewesen, Südschweden sei flach und erst im Norden fingen die Berge an. So kann man sich irren. Das mit den Bergen ist richtig, aber mit flach lagen wir falsch. Südschweden ist wellig.

Nach einer schlechten Nacht auf der Fähre gestaltete sich der Tag als schön, aber anstrengend. Wir mussten uns an das Tandem gewöhnen, besonders vorne braucht man andere Muskelgruppen als auf einem normalen Fahrrad. Dazu kam der Wind. Wir mussten an einer Stelle bergab treten, um nicht stehen zu bleiben, so heftig blies der Gegenwind.

Unsere erste Station war Malmö. Ein Traum für Radler. Zwar hatten wir gleich einen Beinahe-Unfall mit einer Autotür, aber eben nur fast. Ansonsten hatten wir das Gefühl, dass alle Verkehrsteilnehmer aufeinander Rücksicht nahmen, was bestimmt mit an dem Platz lag, der in ausreichenden Mengen vorhanden war. Die Fahrradwege waren breit und gut ausgeschildert, an den Kreuzungen gab es Ampel für Fahrradfahrer und genügend Platz auch für die Fußgänger. Zwischendurch kannst du anhalten, um deine Reifen neu aufzupumpen, da immer wieder Pumpen am Wegesrand stehen.

Fahrradstraße
Gut beschilderte Wege waren nicht nur in Malmö zu finden.
Immer wieder stehen Pumpen und Karten am Wegesrand.

Einen Schlafplatz zu finden war nicht so einfach. In Schweden gilt das Allemansrätt, es ist also erlaubt, unter bestimmten Voraussetzungen das Lager in der Landschaft aufzuschlagen. Es war nur leider fast unmöglich, in genügend Abstand zum nächsten Haus einen Platz zu finden, der eben genug war, um dort das Zelt aufzustellen. In vier Wochen haben wir genau einmal in freier Natur geschlafen: in der ersten Nacht.

Der nächste Morgen begrüßte uns mit Regen, es regnete fast während des gesamten Tages. Meine Regenjacke erwies sich als undicht, die Gamaschen sorgten dafür, dass unsere Füße schwitzten und dadurch nass wurden und am Ende war alles nass. Wir suchten uns ein Vandrarhem, das Äquivalent einer Jugendherberge, und trockneten dort über Nacht unsere Sachen.

Wir musste sogar die Geldscheine aus dem Portemonnaie auf der Heizung trocknen.

Glücklicherweise blieb es während unserer Zeit in Schweden bei zwei oder drei Regentagen, wir wurden auch nicht wieder so nass wie an diesem Tag. Der Mann hat weniger Probleme damit, aber ich mag zelten auch trocken schon nicht gerne, und mit feuchten Sachen ist es noch unangenehmer.

Die meisten Nächte schliefen wir auf Campingplätzen, manchmal auch in Hütten, im Vandrarhem und einmal in einer kompletten Wohnung. Einen großen Vorteil hatten diese „zivilisierten“ Übernachtungen gegenüber dem wilden Campen: es gab Duschen! Nach einem bewegungsreichen Tag macht es Sinn und entspannt, den Schweiß von der Haut waschen zu können. An einem See wäre das auch möglich, nur waren die Seen wirklich eiskalt und gute Plätze zum Zelten in Seenähe zu finden, war schwer. Den Schlafsäcken tut es nicht gut, verschwitzt darin zu schlafen. Der Schweiß bleibt darin hängen und sie lassen sich nur schlecht waschen.

Meistens waren wir das einzige Zelt weit und breit.

Wir hatten soviel Kleidung dabei, dass wir einmal die Woche waschen mussten. Hierbei haben sich Funktionsshirts bewährt, sie trocknen schön schnell, genau wie die Fahrradhosen. Nur einmal haben wir feuchte Kleidung am Tandem befestigen müssen, damit sie während der Fahrt weiter trocknet.

Wäsche trocknen während der Fahrt.

Das Reisen mit dem Fahrrad ist völlig anders als mit dem Auto. Du bist leiser und langsamer unterwegs und hast mehr Kontakt mit deiner Umgebung. Mit meinen Eltern (mit denen man auch gut reisen kann) sind wir im Urlaub auch viel mit dem Auto durch Landschaften gefahren und haben im Zweifelsfall die schöne Route der schnellen vorgezogen, es ist trotzdem kein Vergleich mit dem Rad. Du erfährst im wahrsten Sinne des Wortes die Landschaft. Wir haben außerdem Elche, Hirsche und Schlangen gesehen, die erst spät Reißaus nahmen, weil wir uns nicht schon hunderte Meter entfernt durch Motorenlärm ankündigten. Wir konnten beim fahren Luft und Sonne atmen.

Hier konnten wir nicht fahren, wir mussten eine ganze Weile schieben, um wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen.
Breit, befestigt und wenig befahren – da macht Radfahren Spaß.

 

Der Radweg führte durch diesen „Tunnel“ zum Campingplatz.
Es gab auch Negativbeispiele: die Fernradwege Sverigeleden und Banvallsleden führen durch dieses unpassierbare Gatter.

Allerdings ist es mit dem Auto leichter, schnelle Abstecher zu machen. 10 km mehr oder weniger sind im Auto kaum spürbar, auf dem Rad ist es eine andere Sache.

Am Ende des Tages unverhofft 4 Kilometer weiter fahren zu müssen nervt.

Wir haben deshalb nicht sehr viele Sehenswürdigkeiten mitgenommen, obwohl wir durchaus spontane Schlenker gefahren sind. Ein Grund dafür war auch, dass wir zu einem bestimmten Termin in Abisko am Flughafen sein mussten. Trotzdem war es eine sehr erfüllende Reise.

Unsere Tage fingen vormittags mit einem Frühstück an, danach bauten wir das Zelt ab und packten unsere sieben Sachen. Zwischen elf und zwölf machten wir uns auf den Weg. Wir fuhren im Schnitt 90 km pro Tag, mal etwas mehr, mal weniger. Unterwegs gingen wir Proviant einkaufen, wir hatten aufgrund des Gewichts nicht viele Vorräte dabei.

Die Wasservorräte transportierten wir auf der Wurst.

Etwa alle eineinhalb Stunden legten wir eine Pause ein um zu essen, bei der ständigen Bewegung war das auch nötig. Zu Anfang habe ich mich gefreut, endlich soviel und so oft essen zu können wie ich wollte – nach zwei Wochen war es schon nicht mehr so prickelnd. Wir fuhren die Strecke, die wir uns am Vorabend überlegt hatten, orientierten uns an interessanten Orten und suchten gegen Abend nach dem nächsten Campingplatz. Dort wurde gekocht, geduscht und die Strecke für den nächsten Tag herausgesucht.

Nachdem ich vom Unischreibtisch direkt zu mehreren Stunden radeln am Tag übergegangen war und auch die Strecke hügeliger war als vorher angenommen, fing mein Knie an zu schmerzen. Es war kein Grund anzuhalten oder gar die Reise aufzugeben, aber ein starkes Argument gegen Nordschweden. Die Hügel wurden immer höher und steiler, ich würde sie auch schon Berge nennen, und wir stellten fest, dass das Pino kein Fahrrad ist, mit dem man mit Gepäck gerne Berge fährt. Nördlich von Mora werden die Siedlungen spärlicher, wir hatten wenig Lust, mit einem entzündeten Knie irgendwo zu stranden. Hinzu kam, dass eines der Tretlager anfing zu knacken und wir nicht riskieren wollten, in der Wildnis festzusitzen.

In Mora, nach der Hälfte der geplanten Strecke, gingen wir damit in eine Werkstatt, wobei der Mechaniker dort auch nicht helfen, uns aber beruhigen konnte. Wir blieben zwei Nächte auf dem Campingplatz und überlegten, wie wir die zweite Hälfte unserer Reise gestalten wollten. In Abisko wartete ein Flugzeug auf uns, wir hätten auch die Möglichkeit, mit der Inlandsbahn zu fahren und damit weniger Druck, vorwärtszukommen. Andererseits wurde die Strecke immer anspruchsvoller und wir hatten mein Knie zu bedenken. Die Entscheidung fiel: wir ließen den Flug verfallen und fuhren zurück nach Süden. Wir waren eingefahren, konnten einen anderen, ebenso interessanten Weg nehmen und noch dazu ging es Richtung Küste gefühlt bergab.

Dieser Fahrradweg fürte schnurgerade und mit sehr wenig Steigung auf einem alten Bahndamm entlang.

Der Rückweg führte uns östlich des Vättern entlang. Wir konnten uns ein bisschen mehr Zeit lassen, weil wir schneller geworden waren. Tatsächlich kamen wir einen Tag zu früh in Trelleborg an. Die Rückreise mit Fähre und Bahn verlief ähnlich wie die Hinreise, nur wahrscheinlich rochen wir etwas schlechter. Es war alles in allem einer der schönsten, wenn nicht sogar der schönste Urlaub, die ich jemals gemacht habe. Sicherlich lag es zum Teil daran, dass es ein befriedigendes Erlebnis ist, mit eigener Muskelkraft so weit zu kommen. Dieses Erlebnis konnten wir hautnah miteinander teilen, danke Pino. Für eine Hochzeitsreie also perfekt.

Wir haben vor, wieder mit dem Pino auf Reisen zu gehen. Mein Traum ist es, Europa auf dem Rad zu durchqueren. In den nächsten Jahren sehen Reisen wegen der Kinder anders aus, wir müssen erst noch testen, wie radreisekompatibel sie sind.

Unterwegs trafen wir einige andere Radreisende, mit denen sich häufig nette Gespräche entwickelten. Ein Ehepaar war auf dem Weg vom Nordkap nach Barcelona (oder anders herum?), mit jeweils (!) mehr als 30 kg Gepäck. Respekt. Eine andere Frau fuhr mit dem Rennrad von Berlin nach Finnland, eine längere Strecke als unsere 2200 km, in zwei Wochen. Weil sie nur zwei Wochen Urlaub hatte. Sie war allerdings morgens schon lange vor uns wieder unterwegs.

Ich bekam den Eindruck, dass eine längere Reise mit eigener Muskelkraft nicht so exotisch ist, wie ich vorher dachte, auch wenn wir häufig ein ungläubiges “Mora?” oder „Kiruna?“ zur Antwort bekamen, wenn wir erzählten, wohin wir unterwegs waren bzw. woher wir kamen.

Wir hatten auch viele positive Begegnungen mit nicht radfahrenden Leuten. Eine Frau, ziemlich am Anfang unserer Reise, fuhr mit ihrem Auto extra verkehrt herum durch eine Einbahnstraße, um uns zu fotografieren. Ein Freund von ihr hätte sich gerade ein Liegerad gekauft und würde sich bestimmt begeistert von dem Stufentandem zeigen, erzählte sie uns.

Ein Niederländer meinte etwas missmutig, dass er sich auf den schwedischen Straßen nicht sicher fühlte. Das konnten wir absolut nicht nachempfinden, wir waren deutsche (Darmstädter?) Straßenverhältnisse gewohnt und fühlten uns gut aufgehoben. Autos machten auch auf Landstraßen einen großen Bogen um uns herum, und besonders in Malmö und Lund war es ein Traum zu radeln.

Besonders mit der Warnweste über der Wurst machten Autos einen großen Bogen um uns.

Wir bekamen zweimal besondere Plätze ans Herz gelegt, die wir unbedingt besuchen sollten. Einmal im Süden, wo es wohl sehr romantische Obstplantagen geben muss, einmal im Norden, auf einem bestimmten Berg bei Sonnenaufgang. An beiden Orten waren wir leider nicht, weil sie sehr weitab unserer Route lagen. Vielleicht das nächste Mal?

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